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The migration of the caribou



Ende Februar, unterwegs nach Kanada. Etwa zweieinhalb Stunden vor meinem eigentlichen Ziel muss ich wegen einer Warnung im Cockpit zwischenlanden. In Matagami. Noch nie von diesem Ort in der kanadischen Provinz Québec gehört. Wahrscheinlich nicht einmal die Kanadier selbst. Na dann ... Ma-ta-ga-mi. Betonung auf „i“. Französisch. In meinen Funksprüchen heißt es zuerst Origami, dann Monogami. Mit der Zeit kriege ich es auf die Reihe. Irgendwann, knapp über dem 49. Breitengrad, auf ähnlicher Höhe wie London, Berlin oder Irkutsk, lässt mich eine Frauenstimme auf meiner Frequenz wissen, dass in Matagami wahrscheinlich keiner Englisch spricht. Und dass es dort auch sonst nicht viel zu holen gibt. Außer minus 38 Grad Celsius und viel, viel, wirklich viel Natur. Unberührt.

Nach der Landung warte ich auf das Support-Team, das mich in Empfang nehmen sollte. Ich funke den Tower an und mache mich auf eine lange Wartezeit gefasst. Eine halbe Stunde, eine Stunde. Nichts. Als ich das Gefühl habe, dass schon meine Augen frieren (tatsächlich! Augen können frieren!), klettere ich aus der Maschine und mache mich auf den Weg in das winzige Flughafengebäude. Kein Mensch. Kein Internet. Aber warm. Und ein WC mit funktionierender Spülung. Luxus pur nach meiner Bordtoilette, die aus einem Becher und einem Plastikbeutel besteht.

Fast pralle ich mit einer jungen Frau zusammen, als ich mich aus dem engen Waschraum schäle. Sie ist Biologin und mit ihrem Partner in Matagami stationiert, um Tiere zu zählen. Karibus. Vom Helikopter aus. Das klingt beruhigend und gleichzeitig voll schräg. Immerhin ist am Vortag in Europa ein Krieg ausgebrochen, während hier Menschen geweihtragendes Wild zählen. Im Nichts. Mein Herz schmilzt. Und rutscht mir in die Hose. Denn das einzige Hotel der Ortschaft, das gute 15 km vom Flughafen entfernt liegt, ist vor einem Jahr abgebrannt. Ein Unfall. Nicht der Rede wert. Ein neues Hotel gibt es noch nicht, wie ich höre.


Die Biologen nehmen mich in die Stadt mit und zeigen mir das kulinarische Highlight: den Supermarkt – völlig aus der Zeit gefallen. 1980er Jahre. Während ich zwischen Zahnpasta und Dosenwurst stehe, kommt ein Anruf des Flughafen-Teams. Ich solle mir keine Sorgen machen. Schon in etwa fünf Stunden müssten ein Pilot und ein Techniker in Matagami sein. Dann könnten wir noch vor Sonnenuntergang nach Süden weiterfliegen und am späten Abend dort ankommen, wo ich eigentlich hinsollte.


Das finde ich gut. Echt gut, denn eine Übernachtung im Freien, bei diesen jenseitigen Temperaturen in Matagami, würde mir die Maschine nicht so einfach verzeihen. Wie schon die nette Dame am Funk gesagt hatte: Es gibt in Matagami nicht viel. Also auch keinen Hangar.


Meinen beiden Biologen scheint die Kälte nichts auszumachen. Sie kommen aus Québec und sind einiges gewöhnt. Sie packen mich in ihr Auto und fahren mich zu sich nach Hause. Kaminfeuer, ein Glas wunderbarer Wein (an dem ich freilich nur rieche - ich muss ja noch fliegen), köstliches Essen. Drei Stunden später geht es zurück zum Flugplatz. Mein Team ist vor Ort, ich mache meine Maschine startklar, klettere in den eisigen Sitz und spüre die Kälte kaum noch. Lesson learned: Kaltes Kanada, warmherzige Menschen.



 
 
 

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